Eine Frage der Wirksamkeit: Was bringen Mundduschen, Zahnseide und Co.?

... und warum es keinen Goldstandard gibt

Eine Frage der Wirksamkeit Was bringen Mundduschen, Zahnseide und Co
Eine Frage der Wirksamkeit Was bringen Mundduschen, Zahnseide und Co
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    Für gesunde Zähne musst du etwas tun. Damit ist nicht nur eine ausgewogene Ernährung und der regelmäßige Besuch beim Zahnarzt gemeint: Eine gründliche Mundhygiene gehört natürlich ebenfalls dazu. Mit deiner Zahnbürste erreichst du allerdings nur 70 Prozent der Zahnoberflächen – unabhängig davon, ob du eine Handzahnbürste oder eine elektrische Zahnbürste nutzt. Die restlichen 30 Prozent befinden sich zwischen den Zähnen im sogenannten Interdentalraum. Hier kommt die Zahnbürste allerdings nicht hin. Experten raten daher, zur Reinigung der Zahnzwischenräume zusätzliche Hilfsmittel zu verwenden. Deren Wirksamkeit ist allerdings umstritten.

    Weshalb ist die Reinigung der Zahnzwischenräume wichtig?

    In deiner Mundhöhle leben viele Keime. Sie gehören zur gesunden Mundflora dazu und sind oft sogar nützlich. Reinigst du deine Zähne und Zahnzwischenräume nicht gründlich, gerät die natürliche Flora aus dem Gleichgewicht. Aus Bakterien, eingetrocknetem Speichel und Essensresten bildet sich ein filziger Belag, auf dem sich schädliche Keime vermehren. Das ist die sogenannte Plaque. Sie entsteht schon wenige Stunden nach dem Zähneputzen und haftet sich vor allem an den Stellen fest, die du mit der Zahnbürste nicht erreichst.

    Der anfangs weiche Zahnbelag verhärtet sich mit der Zeit. Zahnstein entsteht – und die Oberfläche deiner Zähne wird rau. Aggressive Erreger finden optimale Bedingungen vor. Siedeln sie sich an, reagiert dein Immunsystem erst einmal mit einer oberflächlichen Entzündung. Sie soll verhindern, dass Bakterien in die Blutbahn oder in die tiefergelegenen Gewebeschichten gelangen. Das klappt allerdings nicht immer: Oft entwickelt sich eine Paradontitis. Ohne Behandlung kommt es im Laufe der Wochen, Monate und Jahre zur Zerstörung von Gewebe und Knochen.

    Breiten sich die Erreger in deinem Körper aus, können sie Entzündungen in anderen Regionen verursachen. Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Gefäß-, Herz- und Kreislauferkrankungen. Auch an der Entstehung von Karies ist Zahnbelag beteiligt. Die auf ihm lebenden Bakterien verstoffwechseln den in der Nahrung enthaltenen Zucker in Säuren. Sie demineralisieren den Zahnschmelz und bereiten zahnschädigenden Mikroorganismen den Weg.

    Mit einer regelmäßigen, sorgfältigen Reinigung deiner Zähne und Zahnzwischenräume entfernst du Beläge und beugst diesen Krankheiten vor. Zumindest in der Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus?

    Welche Hilfsmittel zur Reinigung der Zahnzwischenräume gibt es?

    Es gibt viele verschiedene Hilfsmittel, die du zur Mund- und Zahnpflege nutzen kannst. In Apotheken, Drogerien und Supermärkten findest du neben Mundspüllösungen, Zahnbürsten und Zungenreinigern auch spezielle Werkzeuge für die Reinigung deiner Zahnzwischenräume. Hierzu zählen Interdentalbürsten, Monobüschelbürsten, Mundduschen, Soft Sticks, Zahnhölzer, Zahnseide und Zahnseide-Sticks.

    Zahnseide

    Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie zeigt, dass Zahnseide das verbreitetste Hilfsmittel zur Pflege des Interdentalraums ist. Hierbei handelt es sich meist um herkömmliche Nylonfäden, die mit Zusatzstoffen beschichtet sein können. Es gibt aber auch bandförmige Zahnseiden. Die sogenannten Zahntapes sind deutlich breiter und lassen sich flächig um den Zahn führen.

    Interdentalbürsten

    Interdentalbürsten sind medizinische Instrumente, die an kleine Flaschenbürsten erinnern: Hier winden sich kurze Nylonborsten um einen kleinen Draht aus Metall. Im Handel sind auch metallfreie Varianten erhältlich. Sie haben weiche Spitzen aus Gummi und sind besonders sanft zu Zahnfleisch und Zähnen.

    Mundduschen

    Mundduschen sind elektrische Hilfsmittel, die du zur Reinigung deiner Zahnzwischenräume verwenden kannst. Sie arbeiten mit einem Wasserstrahl, der Speisereste und sonstige Rückstände zwischen deinen Zähnen hervorspült. Einigen Geräten haben die Hersteller auch eine Massagefunktion spendiert. Sie soll die Durchblutung deines Zahnfleischs fördern.

    Wie effektiv sind die genannten Hilfsmittel wirklich?

    Experten empfehlen, die Zahnzwischenräume wenigstens jeden zweiten Tag zu reinigen. Und zwar am Abend, noch vor dem obligatorischen Zähneputzen. Diese Reihenfolge soll zu einem besseren Ergebnis führen. Doch immer wieder sind auch kritische Stimmen zu hören. Sie stellen die Wirksamkeit der Hilfsmittel in Frage. Wir verraten dir, ob die Zweifel berechtigt sind.

    Wirksamkeit von Zahnseide

    Wenn es um die Reinigung der Zahnzwischenräume geht, raten Zahnärzte und der Deutsche Zahnärzteverband zur Nutzung von Zahnseide – und das schon seit Jahrzehnten. Doch dann beschäftigte sich die New Yorker Nachrichtenagentur Associated Press (AP) mit der Thematik. In ihrem Studienbericht kam sie zu dem Schluss, dass es keinen wissenschaftlichen Beleg für die Wirksamkeit der Zahnseide gibt. Eine Anfrage beim US-Gesundheitsministerium endete damit, dass die entsprechende Empfehlung aus der Ernährungsleitlinie „Dietary Guidelines for Americas verschwand. Heute sind es einige Studien, die den Nutzen der Zahnseide anzweifeln. Eine davon wurde von der unabhängigen Cochrane Collaboration durchgeführt.

    Für die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) bleibt die Zahnseide dennoch ein wichtiges Hilfsmittel zur Reinigung der Zahnzwischenräume. In einem Statement räumt sie ein, dass der positive Effekte der Zahnseide nicht belegt werden konnte. Umgekehrt aber sei der Nutzen eben auch nicht widerlegt worden. Ähnlich sieht es die amerikanische Zahnarzt-Vereinigung ADA. Sie veröffentlichte ebenfalls eine Erklärung, in der sie sich weiterhin für das Hilfsmittel aussprach. Zahnseide richte – eine richtige Anwendung vorausgesetzt – immerhin keinen Schaden an.

    Und genau hier liegt das Problem. Mit der häuslichen Mundhygiene tun sich nämlich viele Patienten schwer. Beobachtungsstudien und die Deutschen Mundgesundheitsstudien offenbaren menschliche Schwächen: Sie zeigen, dass ein hoher Anteil der Bevölkerung nicht einmal einfache Empfehlungen umsetzt. Oft bleiben große Flächen unbehandelt und es fehlt an der korrekten Technik im Umgang mit der Zahnseide. Diese Faktoren sind für die Wirksamkeit des Hilfsmittels allerdings von entscheidender Bedeutung.

    Wirksamkeit von Interdentalbürsten

    Nachdem die Diskussion entbrannt war, befragte der SPIEGEL den Kieler Professor Christof Dörfer zur Diskussion um den Nutzen der Zahnseide. Seinen Ausführungen nach ist das Hilfsmittel nicht schon länger nicht mehr die erste Empfehlung der Zahnärzte. Für die Reinigung der Zahnzwischenräume würde stattdessen zu Interdentalbürsten geraten – sofern genügend Platz zwischen den Zähnen ist.

    Dies bestätigt ein Blick in die Leitlinien der European Federation of Periodontology (EFP). Hier heißt es wörtlich: „Es gibt aber keine Evidenz, um den Gebrauch von Zahnseide für die Reinigung der Zahnzwischenräume bei den Patienten mit Parodontitis zu empfehlen. Interdentalraumbürsten sind die wirksamste Methode und das Mittel der Wahl an Stellen, die eine atraumatische Anwendung erlauben.“ Tatsächlich zeigt die Mehrheit der Studien, dass die Interdentalbürste effektiver gegen Plaque wirkt als Zahnseide.

    Wirksamkeit von Mundduschen

    Hochschulen und Paradontologen sprechen nur selten eine Empfehlung für Mundduschen aus. Studien zeigten zunächst, dass die Nutzung der Geräte kaum Auswirkungen auf eine Einfärbung durch Plaque-Färbetabletten hatte. Es wurde daher angenommen, der Biofilm würde nicht ausreichend entfernt. Ob sich der Belag im Hinblick auf Dreidimensionalität und Qualität veränderte, wurde allerdings nicht untersucht. Jüngere Studien untersuchten den Effekt des Wasserstrahls mit Hilfe eines Rasterelektronenmikroskops. Ihnen zufolge reichten wenige Sekunden mit der Munddusche aus, den auf der Zahnoberfläche angesiedelten Biofilm fast vollständig verschwinden zu lassen.
    Zu einem positiven Ergebnis kamen auch die Autoren einer 2015 veröffentlichten Literaturübersicht. Sie durchforsteten und verglichen mehr als 60 Studien zu diesem Thema. Dabei fanden sie heraus, dass Mundduschen Erreger ausspülen, Entzündungen reduzieren und die Werte der Taschentiefe verbessern können.

    Als Argument gegen Mundduschen wird häufig angeführt, Bakterien würden tiefer in bereits vorhandene Paradontaltaschen gespült. Die Anwendung der Geräte erhöhe daher auch das Risiko einer Bakteriämie. Aus der Luft gegriffen ist das dem ersten Anschein nach nicht: Es gibt verschiedene Studien, die aus der Mundhöhle stammende Keime im Blut der Testpersonen nachweisen konnten. Doch auch die Nutzung von Zahnbürste oder Zahnseide kann dazu führen, dass schädliche Bakterien in die Blutbahn gelangen. Das Gefahrenpotential ist bei allen Varianten der häuslichen Zahnpflege ähnlich hoch.

    Was bedeutet das für mich?

    Was bedeutet das für mich

    Professor Dr. Christof Dörfer bringt es im SPIEGEL-Artikel wie folgt auf den Punkt: „Ich hoffe sehr, dass daraus nicht eine Debatte wird, ob es sinnvoll ist, die Zahnzwischenräume zu reinigen oder nicht. Denn das Reinigen ist unbedingt zu empfehlen.“ Auch die EFP macht in einer Stellungnahme deutlich, dass die tägliche Interdentalreinigung einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Mund- und Zahngesundheit leistet.

    Einen Goldstandard, der für alle Patienten gilt, gibt es allerdings nicht. Welches Produkt sich am besten eignet, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Hier geht es um Dinge wie Benutzerfreundlichkeit, Fingerfertigkeit und die persönliche Motivation. Auch die Größe des Interdentalraums spielt eine wichtige Rolle. Gemeinhin gelten Interdentalbürsten als Mittel der Wahl. Sie können ihre Reinigungsleistung aber nur dann erbringen, wenn sie nicht zu groß oder klein sind. Stehen die Zähne eng zusammen, empfehlen Experten Zahnseide. Mundduschen wiederum sind eine gute Alternative für Menschen, die Probleme mit der Nutzung von Interdentalbürsten und Zahnseide haben. Sie zeichnen sich durch eine leichte Handhabung aus und erreichen auch schwer zugängliche Stellen. Damit sind sie für Personen mit Brücken, Implantaten und Zahnspangen besonders gut geeignet.